Toshio Hosokawa

*  23. Oktober 1955

von Walter-Wolfgang Sparrer

Essay

Von Isang Yun übernahm Toshio Hosokawa die spezifisch asiatische linear oder horizontal ausgerichtete Auffassung vom »einzelnen« Ton als Verlauf, als länger auszuhaltendes Klangzentrum eines in sich belebten Mikrokosmos. Von Yun übernahm er auch die in der traditionellen ostasiatischen Musik vorgebildete Praxis gleichzeitig verlaufender Klangschichten, die im einzelnen heterophon voneinander abweichen, doch im ganzen zu einem monistisch-einheitlich atmenden Klangbild beitragen.

In einigen seiner frühen Kompositionen – z.B. in Jo-Ha-Kyū für Flöte, Violine, Viola und Violoncello (1980) oder im Preludio für Orchester (1982) – organisierte Hosokawa Klangprozesse, die (wie auch die Werke Yuns) auf Entwicklung oder zumindest Veränderung und Steigerung hin angelegt sind und somit sowohl asiatischem als auch europäischem Musikdenken gerecht werden: Das in Japan so genannte Jo-Ha-Kyū-Prinzip (Einleitung – Entwicklung / Aktion – Accelerando-Schluß) zeigt dramaturgische Entsprechungen zu der ebenfalls dreiteiligen Anlage des Sonatensatzes (Exposition – Durchführung – Reprise) vor allem hinsichtlich der verarbeitenden Funktion des mittleren Abschnitts.

Wie schon der Titel von Hosokawas zweitem Orchesterstück Pass into Silence (1983) andeutet, änderten sich dann aber seine ästhetischen und stilistischen Präferenzen. Das Studium der traditionellen japanischen Musik und ihrer Instrumente, deren Bedeutung ihm erst durch Aufführungen, die er 1982 in Berlin hörte, ins Bewußtsein rückte, ...